Auf zum grünen Kap

9 Tage Überfahrt

Posted by andy on Wednesday, December 6, 2023

24. November bis 3. Dezember

Wir verlassen die gerappelt volle Marina Rubicon, die wahrscheinlich die freundlichsten Marineros des ganzen Archipels hat, füllen alle Tanks und Kanister und machen uns auf, die Ostküste Fuerteventuras hinunterzusegeln. Eigentlich wollen wir zuerst noch in Tageshops Fuerteventura erkunden und danach auf Gran Canaria übersetzen, bevor wir dann letztendlich auf die Kapverden weiterziehen. Ein Studium der Wetterprognosen später (deutlich über Mindeststudienzeit) ändern wir den Plan kurzfristig. Gerade ist noch ein so-la-la Wetterfenster da, danach könnte es wieder dauern, bis wir die Kanaren unter Segel Richtung Südwesten verlassen können: Ein Tief ist im Anmarsch, welches südwestliche Winde bis unter die Kanaren bringen soll, eben wären aber noch ein paar Tage Nordostwind da. Nicht zu stark, nicht zu schwach. Damit sollten wir weit genug im Süden sein, damit wir diesen kleinen Wirbel umfahren. Ein zwei Tage Flaute sollen dann zu überwinden sein, bis wir wieder eine Nordostwindzone erreichen. Laut Informationen von befreundeten Booten soll Las Palmas in Gran Canaria zudem richtig voll sein. Lange Warteliste im Hafen und das Ankerfeld sehr gut gefüllt. Darauf haben wir nicht so besonders Lust. Verproviantiert sind wir auch mehr als ausreichend. Warum also nicht gleich starten.

Wir segeln also an Fuerteventura vorbei und halten es somit auf den Kanaren wie mit den Balearen. Zeit nehmen für eine Insel und dann weiterziehen. Schließlich haben wir uns ja bereits entschieden, dass wir auch hier nur auf der Durchreise sind. Ziel ist die Karibik.

Zirka neun Tage wird es dauern, bis wir in Mindelo auf den Kapverden ankommen werden, wenn die Wetterprognose so in etwa zutrifft. Weit draußen am Meer lassen wir die Küste Marokkos, der Westsahara und Mauretaniens backbords liegen und segeln gemächlich Richtung Südwesten. Mit ausgebaumter Genua, oft im Schmetterling, viel mit Spinnaker. Die Zeit auf See vergeht auf eine Art und Weise, die einen Uhrzeit, Wochentag und Datum vergessen lassen. Gäbe es nicht das Logbuch, wüssten wir schon sehr bald nicht mehr, der wievielte Seetag es nun eigentlich ist. Meist wird die Segelstellung bei Sonnenuntergang angeapasst, um defensiv in die Nachtfahrt zu gehen, in der Früh dann wieder ausgerefft oder der Spi gesetzt. Den Tag über bleibt dann alles wie es ist. Welle für Welle für Welle für Welle. Zwischen den Mahlzeiten wird gelesen, gebastelt, Bootsschule abgehalten, Brot gebacken, wiedermal gekocht - und gefischt. Letzteres erstaunlich erfolgreich. Mit überraschender Regelmäßigkeit (und Pünktlichkeit: immer so ab etwa 16:00, perfekt fürs Abendessen) ziehen wir Goldmakrelen aus dem Meer. Ein unglaublich guter Fisch. Wir essen wie Gott in Frankreich. Nur besser. Eines Abends überraschen uns leuchtende Quallen, die das Meer rund um unser Boot mit hellen Blitzen erleuchten. Es wirkt fast wie ein Unterwassergewitter. So spannend dieses Schauspiel auch ist, der Wunsch nach einem kurzen Bad im Meer schwindet.

Mindestens einmal täglich holen wir über unser Iridium-Satellitentelefon ein Wetterupdate und sehen, dass sich die Prognose nicht radikal geändert hat. Dieser Vorgang wirkt in Zeiten von Breitbandinternet via Starlink etwas aus der Zeit gefallen. über drei Minuten dauert es, bis 50kb an Wetterdaten heruntergeladen sind. So es denn überhaupt funktioniert. Manchmal ist etwas Geduld gefragt und man muss das ganze immer wieder probieren. Immerhin kann man anderen Seglern dann auch aktuelles Wetter über Funk weitergeben, wenn man, so wie es manchmal vorkommt, über Funk danach gefragt wird.

Bis zum sechsten Tag segeln wir vor dem Wind dahin. Dann kommen wir in die erwartete Flaute und der Motor muss uns wieder mal unter die Arme greifen. Wir begegnen kaum anderen Seglern und auch die Frachter und Tanker werden immer weniger. Bald sind wir über 250 Seemeilen von jeglichem Land entfernt und sowohl mit bloßem Auge als auch mit technischen Hilfsmitteln wie Radar und AIS ist kein anderes Schiff mehr zu sehen. Nur der Himmel und das Meer. Und Unmengen von fliegenden Fischen. Die Nachtwachen teilen wir uns grob ein. Von Sonnenuntergang bis 1 oder 2 Uhr morgens die erste, dann bis 5 oder 6 die zweite. Wer fitter ist, macht längere Schichten und gönnt dem anderen etwas mehr Schlaf. Weit am offenen Meer gönnen wir uns auch 15 Minuten Nickerchen während der Wache, um dann mit Rundumblick, AIS und Radarcheck die Situation rund um uns im Auge zu behalten. Fischernetze und überraschend auftauchende Schnellfähren und dergleichen sind da draußen nicht wirklich zu erwarten.

In der letzten Nacht vor der Ankunft poppen sie dann plötzlich wieder auf am AIS und Radar. Andere Segler und Fischerboote. War man die letzten Tage gefühlt allein am Meer, gibts jetzt doch wieder mehr Verkehr. Sobald die Sonne aufgeht, ist dann auch endlich Land in Sicht. Wir steuern die Insel Sao Vicente an auf der sich auch die einzige Marina des Archipels befindet. Mindelo, wir kommen. Fast 1000 Semeilen waren es von Lanzarote bis hierher und alles in allem war die Passage recht angenehm und ereignislos. Ganz so, wie man es sich wünscht. Wir setzen die Kap Verdische Gastlandflagge, die gelbe Q Flagge und auf der anderen Seite unseren Klubstander vom ESVI Yes und laufen in der Marina Mindelo ein. In der Floating Bar im Hafen feiern wir dann bei Bier, Caipirinha, Fanta und Internet.