Karl-Friedrich, wir reisen ab!

Zwischen Scylla und Charybdis

Posted by andy on Saturday, August 26, 2023

Wenn man durch die Altstadt von Gallipoli spaziert, wundert man sich nicht, dass diese Stadt einst vor allem vom Handel mit Lampenöl lebte. Die Gassen sind so eng, man bekommt kaum den Himmel zu sehen. Es macht viel Spaß sich einfach in dem Irrgarten ein bisschen zu verlaufen. Wenn sich ein Platz etwas auftut, oder eine Gasse etwas breiter ist, wird das gleich mit den Tischen eines Restaurants wieder ausgeglichen. Wir schaukeln etwas landkrank durch diese Szenerie und schauen uns das Sammelsurium von Tierpräparaten, Walknochen und alten Amphoren im Museo Civico an, besichtigen das Kastell und heben einen Geo-Cache. Nach zwei Nächten machen wir uns an, den Golf von Tarent zu queren und starten mit Sonnenaufgang los.

Auf Halbwindkurs geht es in Rauschefahrt dahin, kurzfristig stehen da bergab auch einmal 10 kn angeschrieben. Ein erster Test des neu montierten Leesegels schlägt fehl und der Skipper damit hart am Salontisch auf. Bei dem mangelhaften Produkt muss wohl noch optimiert werden. Früher als erwartet kommen wir dann in Cirò Marina an. Der Hafen ist mit kleinen Motorbooten und Fischkuttern voll belegt. Transitplätze scheint es hier kaum bis gar nicht zu geben. Ein Mann der Lega Navale weist uns einen Platz im Auskranbecken zu. Platz ist Platz, wir sind da nicht wählerisch. Abends besuchen wir das Tingeltangel am Hafen. Große und kleine Crew sind speziell vom Autodrom höchst angetan.

Nur einen kurzen Sprung geht es dann weiter. Ankern vor dem Hafen von Crotone ist eingeplant. Vor dem Nordwind sind wir hier ganz gut geschützt, leicht schaukelig präsentiert sich aber der Ankerplatz. Gegen 3 Uhr morgens wird es uns zu ungemütlich. Der Schwell hat ordentlich zugenommen und zieht aus Nordost an der Mole vorbei direkt auf den Ankerplatz. Karl-Friedrich, wir reisen ab! Vorbei geht es dann im Dunkel an den Gasförderplattformen Luna A und B, welche zur Abschreckung als Befeuerung den Buchstaben “U” morsen. Das bedeutet soviel wie “Du steuerst auf Gefahr zu”. Gegen 5 Uhr morgens nimmt der Wind nochmal etwas zu. Bei 6 bis 7 Windstärken und ganz guter Welle zieht uns die inzwischen leicht gereffte Genua flott Richtung Süden. Mit Sonnenaufgang wird der Wind dann schwächer. Am Nachmittag legen wir dann im Hafen von Rocella Ionico an. Hier ist wieder einmal Waschtag angesagt.

Ein überraschender Anblick für uns sind die Meeresschildkröten, welche uns auf der Weiterfahrt begegnen. Hier im Süden Kalabriens befinden sich nämlich die Strände, an denen die Unechten Karetta-Schildkröten im Sommer ihre Eier legen.

Eine Nacht verbringen wir noch vor Anker im Süden Kalabriens, bevor wir die berüchtigte Straße von Messina durchqueren. Unzählige Schiffswracks sind in den Seekarten verzeichnet. Schon Odysseus hatte dort mit den Ungeheuern Scylla und Charybdis zu kämpfen. Ein wahrlich furchteinflößender Ort. Dennoch nähern wir uns wohlvorbereitet den Ungeheuern. Erst will uns die Flaute am fortkommen hindern. Dann sehen wir am Ufer bereits Schiffe, ja ganze Häuser, liegen, welche wohl von den Bestien ausgespuckt wurden.

Doch wir lassen uns nicht beirren. An der Einfahrt in die Meeresenge bläst uns sogleich wütend der Odem der Ungetiere entgegen. 20 Knoten und kurzer Hack direkt auf den Bug. Die Gischt spritzt bis in den Mast. Die Angst blitzt aus unseren Augen, doch wir lassen unsere Hoffnung nicht fahren und kämpfen uns weiter voran, dem Schlund zur Hölle entgegen … Aber natürlich immer brav ausserhalb des Verkehrstrennungsgebietes.

Erst auf der kalabrischen Seite, dann beim Kreisverkehr auf Höhe Messina wechseln wir auf die sizilianische Seite und ducken uns erst zwischen den Fähren und Frachtern, dann zwischen den absurd anmutenden und erratisch herumkreuzenden Schwertfischfischerbooten hindurch. Zirka 2 bis 3 Knoten Strömung schieben uns letztlich durch die Meerenge hindurch und wir befinden uns im Thyrrenischen Meer. Scylla und Charybdis haben wir nicht gesehen. Keine Ahnung, was Odysseus da hatte. Aber eines hatte er sicher nicht: Den Zeitplan zu den Strömungen, wie man sie schön aufbereitet z.B. hier findet: http://www.correntidellostretto.it

Nächstes Ungeheuer: Palermo

Das Ende einer Nachtfahrt (Segel ASMR):